Sonntag, 30. März 2014

Sonnenblumen in Bewegung

330 nach 228?

Den Sonnenblumen auf der schönen Insel, auf portugiesisch „ilha formosa“, im Pazifik gelegen, geht es bisher einigermaßen gut. Diese hier posten für das Foto in Chiatou im Dezember 2009.

Nach Normen und Regeln von ausreichender Rechtsstaatlichkeit können die Bauern die hübschen Blumen säen und ernten. Ohne einigermaßen gerechtes Verfahren und eine angemessene Entschädigung wird ihnen nicht der Boden zum Wachsen entzogen. Fast alle Menschen in ihrer Umgebung haben die Chance auskömmlich am Wirtschaftsleben teilzunehmen und ihre eigene Persönlichkeit frei zu entwickeln. Die Bürgerinnen und Bürger werden sogar alle paar Jahre gefragt, ob sie ihre Regierung behalten wollen oder lieber eine andere wählen. Wenn ihnen irgendetwas nicht passt und sie ihre Meinung sagen, verschwinden sie auch nicht mehr im Knast oder auf einer abgelegenen Gefangeneninsel wie dies vor vielen Jahren noch der Fall war.

Glückliche Hello-Kitty-Insel – Was stört uns der Rest der Welt?

Es könnte immer so weiter gehen, wenn es nicht einen Nachbarn gäbe, der glaubt, dass er das Recht hat, ungefragt über die schöne Insel zu regieren. Zudem hat das mehr auf Gier und weniger auf Teilen basierende Wirtschaftssystem im Zeitalter der Globalisierung die Inselbevölkerung ziemlich unter Druck gesetzt. Wenige profitieren davon, aber viele fragen sich, wie die zunehmende Konzentration von Kapital und wirtschaftlicher Macht enden soll. Während in früheren Jahrzehnten Taiwan sich durch die Anstrengungen und Entbehrungen sowie seinen Geschäftssinn und den mächtigen Freund USA jenseits des Pazifiks zur Wohlstandsgesellschaft heraufgearbeitet hatte, bringen die veränderten politischen und wirtschaftlichen Vorzeichen für die Zukunft große Risiken mit sich.

Der Schönheit am Strand nachzuschauen, ist der angenehmere Zeitvertreib als sich über die Motivation der Studenten in Taipei und die politischen Auswirkungen ihrer Aktionen nachzudenken.

Was der Reisende Anfang des Jahres ahnen und fühlen konnte, kam jetzt zum Ausbruch. Junge Menschen in Taiwan sind nicht immer so „Gaga“ und „Soft“, wie sie von den Medien gemacht werden sollen und wie sich sich vielleicht manchmal auch geben. Sie machen sich ernsthaft Gedanken über ihre Zukunft und auch die Entwicklung der demokratischen Gesellschaft auf Taiwan.

Dass Ma Ying Jeou versucht hat, die wirtschaftliche Entwicklung Taiwans durch eine größere Öffnung und einen stärkeren Opportunismus gegenüber China voran zu bringen, ist durchaus nachvollziehbar. Sie wird aber ihren politischen Preis haben. Dem internationalen Dogma einer ökonomischen Liberalisierung folgend ist dabei auch zu erwarten, dass nur wenige Große davon profitieren. Die Masse der Taiwaner wird voraussichtlich noch stärker unter Druck geraten, wenn es mehr Wettbewerb im Dienstleistungsbereich durch das „Cross-Strait Agreement on Trade in Services“ geben wird.

So steckt Taiwan gegenüber seinem Nachbarn Volksrepublik China in einer unangenehmen Zwickmühle zwischen der vermeintlichen Sicherung des wirtschaftlichen Wohlstands einerseits und andererseits der politischen Freiheiten.

Selbstverwaltung und Freiheit waren in Taiwan in vielen Jahrhunderten eine Utopie. Die Ureinwohner hatte es am schwersten getroffen. Seit der niederländischen Kolonisation im 17. Jahrhundert und der zunehmenden Besiedlung der Insel mit Han-Chinesen vom Festland befand sich ihre Kultur auf dem Rückzug. Nach der Übernahme der Insel 1895 durch die Japan ging ihre Autonomie vollständig verloren.

Als besonderer Stressfaktor kommt die wahrnehmbare Inaktivität des Westens bei der Einverleibung der Krim durch Russland während einer innenpolitisch schwierigen Situation hinzu. Entgegen völkerrechtlicher Verträge hat Russland gehandelt. Trotz Zusicherung hat die Ukraine keinen Beistand zum Erhalt ihrer territorialen Integrität bekommen. Um wieviel mehr ist das außenpolitisch isolierte Taiwan gefährdet: mehr als 23 Millionen Chinesen warten dort auf die Wiedervereinigung aus der Sichtweise der Volksrepublik. Dieses undemokratische Regime nutzt stets die Schwächen seiner Nachbarn aus, um seinen Machtbereich zu erweitern, wie dies beispielsweise bei den Spratly-Inseln geschehen ist.

Kanonen am Fort Zeelandia in Taiwan – Militärische Stärke ist immer noch ein probates Mittel der Politik wie zu den Zeiten der Holländer auf Taiwan ab 1642. Mit genügend Nachschub für den niederländischen Gouverneur Coyett im Jahr 1662 wäre Taiwan heute so unabhängig wie Indonesien oder Sri Lanka.

Scheinbar fällt es dem Westen überhaupt schwer zu verstehen, was in Taiwan abläuft, wenn selbst unter dem renommierten Titel der „ZEIT“ solch ein Artikel erscheint, der mehrfach von Kommentatoren korrigiert werden muss.

Am 28. Februar 1947 und in den darauffolgenden Tagen kämpften Taiwaner während des sogenannten „228 Zwischenfalls“ gegen eine repressive und korrupte Regierung. Nach diesem Aufstand ist der 228-Park in Taipei benannt. Für den Eisenbahn-Aficionado ist der Park deshalb so interessant weil hier zwei Museumsloks in einem Glaspavillion aufgestellt sind. Eine davon ist die erste Lokomotive Taiwans, die „Teng Yung“, gebaut bei der Firma Hohenzollern in Düsseldorf 1887.

Sicherlich ist die heutige Situation mit der vom 28.2.1947 überhaupt nicht zu vergleichen. Heute geht es um einen politischen Richtungsstreit, der durchaus noch eskalieren kann. Taiwan steht unter Stress. Aber ein „330“ als neues „228“ wird daraus nicht entstehen. Dafür sind die Ausgangsbedingungen ganz andere: Ma Ying Jeou ist zwar unpopulär, aber von der Mehrheit der Bevölkerung fair gewählt und es gibt eine funktionierende Opposition.

Wer der hohen Politik seine Meinung sagen will, kann mit den taiwanischen Student für die Rettung der Demokratie in Frankfurt heute Mittag demonstrieren. Gestern habe ich leider die Chance verpasst mein „Free Taiwan“-Schild Xi Jinping bei seiner Fahrt durch Düsseldorf vor die Nase zu halten. Der Schlüssel zur Lösung der politischen und wirtschaftlichen Fragen Taiwans liegt nun einmal in China. Demnächst kann dann vor dem neuen chinesischen Konsulat in Düsseldorf protestiert werden, das Anlass des Besuchs von Xi in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt war.

Es bleibt zu hoffen, dass so bald kein Taifun über die formose Insel ziehen wird und die hübschen Sonnenblumen einknicken lässt.

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