Samstag, 1. Februar 2014

Tai-Wahn-TV

These 4, wie Taiwan den Wert seiner Demokratie vergessen soll – Fünf Säulen des taiwanischen Fernsehens

Fernsehen scheint in Taiwan immer noch ein sehr wichtiges Medium zu sein, obwohl das Programm für den Zuschauer, der aus Deutschland kommt, nur als Zumutung empfunden werden kann. Warum sehen sich das die Menschen nur jeden Tag an? Auf der anderen Seite geht es demjenigen, der aus Taiwan nach Deutschland reist, sicher genauso, wenn er sich mit Blick auf die hiesigen Speisen und Gerichte die Frage stellt: „Warum essen die Menschen das nur?“

Eigentlich wollte ich, ansinofiziert wie ich bin, These 4 ausklammern und direkt zur These 5 kommen, so wie in mehrgeschossigen Gebäuden und Hotels der 4. Stock fehlt und gleich mit 5 weiter nummeriert wird. 4 ist auf chinesisch „Sì“ (四) was sprachlich nah bei „Sǐ“ (死), dem Tod liegt. Dort möchte niemand wohnen. Ebenso sind Autokennzeichen ohne 4 deutlich beliebter.

Zuvor wurden von mir die Einrichtung umfassender staatlicher Überwachungsmöglichkeiten, die Kommerzialisierung und Konsumorientierung in allen Lebensbereichen, eine Trivialisierung und Banalisierung im Alltagsleben als Risiken für die demokratische Weiterentwicklung Taiwans empfunden und dargestellt. Die Television in Taiwan arbeitet den beiden letztgenannten Themen „Kommerzialisierung“ und „Reduzierung auf Trivialitäten“ perfekt zu.

Erste Säule des taiwanischen Fernsehens sind sicher die Nachrichtensendungen, leider vollgestopft mit Merkwürdigkeiten, Einzelschicksalen, belanglosen Gemeinschaftsaktivitäten, wie die Vorbereitung des Metropersonals in Taipei auf das Neujahrsfest und den Feiertag am 1.1.2014, die auf dem Bild oberhalb gerade der Chef der U-Bahngesellschaft der Journalistenmenge anpreist. Dabei gucken offenbar die vielen Fernsehkanäle voneinander ab. Wirklich andere Nachrichten, eine tiefergehende Berichterstattung, eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen fehlt fast vollständig. Diese ist vermutlich gar nicht gewollt.

Das zweite Standbein sind die NONO-Shows, inhaltsleere Fernsehshows voller Unfug, wo der Bildschirm mit bunten Schriftzeichen zugekleistert ist und quietschige Töne aus dem Computer jede Handlung untermalen. Eigentlich geht es nur darum, dass Menschen – vornehmlich die Gastgeber – sich selbst und ihre Körper – vornehmlich die weiblichen Gäste – zur Schau stellen. Weil Jackie Wu (吳宗憲) und Nono die Hauptakteure in der ersten TV-Show waren, die ich jemals im taiwanischen Fernsehen sah, nenne ich sie NONO-Shows. Zudem ist meines Erachtens der Namen sehr passend für diese Art von Fernsehprogramm.

Ganz Ostasien mag sie, die unzähligen Seifenopern oder besser die sogenannten asiatischen TV-Dramen. In ihnen entwickelt sich - so wie in einem Traum - eine surreale Welt sozialer Beziehungen, die ein Alltagsleben der Charaktere und eine Verkettung von Unglücken und Ereignissen vorgeben, was so nie existiert. Es scheint so, als wetteifern die Fernsehdramaproduzenten in Südkorea, Japan, Taiwan, China, Hongkong darum, die schlimmsten Geschichten über Liebe und zerbrochene Herzen, Schmerz und unheilbaren Krankheiten zu erdenken, die meisten Tränen bei den Zuschauern hervorzurufen sowie die größte Bekanntheit und Quote in Asien zu erzielen.

Neben den neuzeitlichen Dramen füllen historische Kostümspiele, wie “Lan Ling Wang“ (兰陵王), die Sendeminuten. Die Serie „Lan Ling Wang“ heißt übersetzt „Der König von Lan Ling“ und ist eine taiwanisch-chinesische Koproduktion. Gerade bei den großen Massenszenen hilft sicher der Produktionsort China die Kosten niedrig zu halten. Kostümdramen sind nicht nur für die ältere Generation hübsch anzusehen. Wenn Nikita Mao (毛林林) auftritt, sind die Gedanken bei Scheewittchens böser Königin vor dem sprechenden Spiegel.

Fünfte Säule des Fernsehprogramms in Taiwan sind die politischen Talkshows.

So talked und talked Prof. Shieh Jhy-Wey (謝志偉) , ehemaliger Repräsentant Taiwans in Deutschland und wie so viele von uns seit 2009 ergraut, über aktuelle Fragen, wie zum Beispiel „eTag“, immer weiter.

Bleibt zu hoffen, dass er den Faden seiner grundsätzlichen Überzeugungen, ein freiheitliches und unabhängiges Taiwan zu erhalten, nicht verliert.

Und nun der größte Schock: Dies ist kein religiös-buddhistischer Kanal, der ein Interview mit dem Großmeister von Fo Guang Shan zeigt. Dies ist aus der Volksrepublik China der Fensehsender CCTV, Central China Television, der den Vorgaben der Propagandaabteilung der kommunistischen Partei folgt.

Ja, haben sich denn alle verbrüdert? Diejenigen, deren Ideologie, Religion als Opium für das Volk verteufelt hat, sendet jetzt ein Interview mit einem der bedeutendsten Religionsführer. Vor, während und nach der Kulturrevolution wurden traditionelle chinesische Werte vernicht, ausgestoßen und barbarisch vereinfacht. Den Kommunisten ist sicher nicht zu trauen, dass sie sich versöhnen wollen.

Vor einigen Jahren frug ich in Taiwan, ob auch Fernsehsender des chinesischen Festlands empfangen werden können. Die Antwort war, dass niemand in Taiwan daran interessiert ist, sich kommunistische und anti-demokratische Parteiwerbung anzusehen. Es berührt die Menschen nicht. Wer will so einen Kanal bestellen und dafür eventuell noch bei der Kabelgesellschaft bezahlen? Heute werden Sendeplätze dafür geöffnet, um den Besuchern vom Festland zu schmeicheln. Da werde ich doch zum Gernot Hassknecht bei dieser „gigantischen verlogenen Verblödungsmaschine Fernsehen“.

Frohes Fest und Xīnnián kuàilè (新年快樂) nach Taiwan!

1 Kommentar:

  1. Hi Luo2You1,

    ich stimme deiner Analyse zu, frage mich nur, ob die niedrige Qualitaet des Fernsehangebotes nicht etwas Unvermeidliches ist. Wie auch Fernsehsender wie Fox News in den USA, Fersehsendungen wie "Big Brother" oder die Kanaele Berlusconis in Italien zeigen, will das Publikum vielleicht nichts anderes als Inhalte, die auf mehr oder weniger niedrigem Niveau die einfachsten Gefuehle der Menschen ansprechen. Es ist sehr schwierig, mit tiefgruedigen Inhalten das Publikum anzuziehen. Das koennen sich meistens nur Medien leisten, die staatlich finanziert werden, wie etwa die BBC. Das sieht man auch in Bibliotheken. Es gibt Millionen von Buechern, die sich keiner ausleiht und keiner liest, obwohl die Inhalte hervorragend sind. Sowas wollen die meisten Leute aber anscheinend nicht lesen, sie wollen sich weder die Zeit nehmen noch sich Muehe geben. Es mag bedauernswert sein, aber ich frage mich, was man dagegen tun kann.

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