Montag, 30. September 2013

Best Mandarin

Beobachtungen am Tisch und im Garten

Wie vorab beschrieben, wird das Steakhaus auf dem Berg (山上牛排館) äußerst gerne von Menschen besucht, die aus dem asiatischen Raum stammen. Bei der gestrigen Namenstagsfeier hatten wir das Glück, da wir außerhalb Hauptgeschäftszeiten kamen, auch ohne Reservierung einen der Tische mit der besten Aussicht über das landschaftlich reizvolle Stinderbachtal zu erhalten. Es ergab sich zudem, von der Bedienung in die Nachbarschaft einer offenbar chinesischen Familie in männlicher Begleitung, vielleicht ein Geschäftspartner oder Freund, platziert zu werden.

Best Mandarin - Zum Jahrtausendwechsel reiste ein Orangenkeim von Israel nach Deutschland und wuchs hier langsam zu einem kleinen, dornigen Bäumchen heran. Zwölf Jahre später blühte er zum ersten Mal. Aus den Blüten entwickelten sich zwei kleine Früchte. Eine davon ging bei einem Windwurf verloren. Die Verbliebene präsentiert sich jetzt groß wie eine Mandarine im hübschen Orange der herbstlichen Abendsonne. Ja, der Eigentümer ist schon ein wenig stolz im rauhen Klima Westdeutschland das gewöhnlich anämische Bäumchen so weit gebracht zu haben. Das tröstet, weil es mit dem eigenen Mandarin sprachlich überhaupt nicht weiter geht.

Auch ohne ihrem Gespräch zu lauschen, fiel auf, dass die Menschen am Nachbartisch in unterschiedlichen Ausprägungen des Mandarin sprachen. Während das Familienoberhaupt die Zunge in der typischen Weise der Pekinger bog und verdrehte, sprach der Mitesser eher natürlich wirkend, ruhiger und ausgewogener. Dies veranlasste meine Frau zu der These, dass es sich vielleicht um einen Taiwaner handeln könnte. Auch für mich hörte sich dieses Mandarin deutlich vertrauter an.

So wie das Bayerische hart und rustikal auf den Westdeutschen wirkt, so klingt der Pekinger Akzent für viele Taiwaner. Anderseits sollen viele Festlandschinesen wirklich die Aussprache der Taiwaner als harmonischer und ästhetischer empfinden. Darüber hinaus wird angenommen, dass die Süße in der Sprache der Taiwanerinnen, wie sie besonders bei den jungen Damen des Service in den großen Kaufhäusern und in deren Aufzügen herausgestellt wird, zum chinaweiten Erfolg taiwanischer Fernsehserien beigetragen hat.

Sweet Orange - Ob das Personal am Eingang der Orchideenschau auch im süßesten Mandarin zum Vorzeigen des Tickets auffordert? Der Blick weckt keine großen Erwartungen und deutet mehr auf einen langweiligen Job hin.

Leider erotisiert mich meine Ehefrau nur selten mit ihrer Stimme, die dann bei ihr selber zur Gänsehaut führt, so etwa wenn sich eine Einladung zur Namenstagsfeier im Steakhaus ankündigt. Das Talent zur "Sweetness" in der Sprache teilt sie aber durchaus mit vielen anderen Taiwanerinnen.

Mein Mondfest, mein Namenstag

Taiwans Restaurants trösten, Deutschlands Küche saugt

Was Prof. Dr. Heiner Flassbeck zum Sonntag im Fernsehen referierte, sollte eigentlich allen klar sein. Wenn Deutschland Politik und Ökonomie nicht die erzielten Produktivitätsgewinne zum allgemeinen Einkommenszuwachs verwenden, sondern nur zur Steigerung von wirtschaftlicher Macht, nimmt das eine schlimme Entwicklung. Nicht nur auf Hartz IV degradierte Sozialhilfeempfänger, auf Null-Runden gesetzte Staatsdiener, die der nationalen Finanzpolitik besonders nah zugeordnet sind, leiden darunter. Die allgemeinen Reallohnverluste in der Gesellschaft führen zu einer sinkenden Nachfrage. Am Ende geraten ganze Volkswirtschaften in Gefahr, wenn sie nicht mehr mit einer Abwertung ihrer Währung darauf reagieren können, zum Beispiel dann, wenn sie sich wie Griechenland der Eurozone verschrieben haben.

Auch für einen unbedeutenden Vorsitzenden eines Briefwahlvorstandes irgendwo im Düsseldorfer Umland, war es bei der Stimmauszählung zur Bundestagswahl 2013 überraschend, wie stark die ökonomischen Fragen die Menschen bewegen. Da sammeln sich die Zettel auf dem Auszähltisch, womit die "Alternative für Deutschland" fast rein in den Bundestag rein kommt, während die etablierte FDP mit Mehrwertsteuergeschenken, "Wischi-Waschi" bei wichtigen Themen und einem fliegenden Teppich aus Afghanistan rausfällt. Auch Prof. Flassbeck macht sich hierüber seine kritischen Gedanken.

Trotz allem bestand Gelegenheit das Mondfest mit einer Sushi-Platte vom Restaurant Anh & Em angemessen zu feiern. Mit Akribie werden die Gerichte dort vorbereitet und ausgeliefert. Mit einem Handyfoto belegt der Fahrer gegenüber dem Restaurant, dass kein Sushi und Tempura verrutscht ist. Da seit einiger Zeit Hos Supermarkt mit einer Bäckerei in das nächste Ladenlokal expandiert ist, gab es aus Düsseldorf auch frischen Mondkuchen zum Fest. Nur das deutsche Preisniveau all dieser leckeren Spezialitäten haut wirklich um. Wenn tägliche Dinge und kulinarische Genüsse immer teurer werden, was bleibt dann noch für den anderen Konsum, wie Urlaub, Autos oder Unterhaltungselektronik? Oder sind wir schon auf dem Weg in eine nachhaltige Gesellschaft mit Kuba als Vorbild?

Also verprassen wir den Euro, so lange es uns noch gut geht. Zu seinem Namenstag lud der Verfasser dieser Zeilen ins Steakhaus auf dem Berg (山上牛排館)ein, wie das Lokal in asiatischen Kreisen genannt wird. Wo gibt es denn hier Berge, frug meine Frau bevor sie die Lokalität kannte. Im Vergleich zum taiwanischen Zentralgebirgen, kommen hier wirklich nur Hügel vor. Die Dichte der Gäste mit asiatischen Gesichtszügen ist wirklich beachtlich, in dem Restaurant, dass unter dem deutschen Namen Gut Jägerhof firmiert. Mit einem ausgedehnten Spaziergang nach den Klassikern Gutshofsteak und Hüftsteak nach Düsseldorfer Art endete ein sonnig warmer, aber schon herbstlich angefärbter Tag.